20. Januar 2020, Text: Michaela Schaub, Foto: Beatrice Gerhard
Eigentlich wollte ich Schriftsetzerin lernen und in der familieneigenen Druckerei beim Grossvater arbeiten. Doch die Vorstellungen meiner Eltern sahen anderes aus: Mein Vater wollte, dass ich zum Bankverein gehe – und meine Mutter machte gleich Nägel mit Köpfen: Sie reichte die Bewerbung bei der Patria für mich ein. Ich war auch noch sauer, dass ich zum Bewerbungsgespräch mit meiner Mutter eingeladen wurde. Nach gefühlten unendlichen 15 Minuten schaffte es der Personalchef, meine Mutter zu unterbrechen und sie darauf hinzuweisen, dass er die Fragen stellt und dass es doch ein Bewerbungsgespräch sei, indem es um mich, Beatrice, ginge. Anscheinend habe ich mich während dieser ganzen Zeit, trotzt Wut im Bauch, benommen, denn sie haben mich daraufhin eingestellt. Ich hatte Glück und startete meine Lehre im damaligen Antragsbüro Einzelleben.
Nach sechs Monaten im Einzelleben setzte ich meine Ausbildung in der Buchhaltung fort. Diese Zeit war besonders lustig, denn – erwähnte ich schon, dass ich keine guten Beziehungen zu Zahlen und deren Kombinationen habe?! So hatte auch mein Lehrmeister keine grosse Freude an mir – auch nicht, als ich ihm eigentlich nur einen Gefallen erweisen wollte und ihm die Kontoführung erledigte: Er musste ein ganzes Wochenende lang mein Werk korrigieren.
Die Weiterreise begann schon in der Lehre. Ich hatte neben der praktischen Ausbildung auch interne Schulungen, u.a. Französischunterricht. Sprachen lagen mir schon immer und mit meinem Sprachtalent war ich die Einzige, die sich für den Unterricht interessierte und mitmachte. Mit der Lehrerin, die Gattin eines Juristen bei der Patria, verband mich eine tiefe Freundschaft und sie wurde eine Art Elternersatz.
Im letzten Jahr meiner Lehre hätte ich in die Betriebliche Vorsorge gehen müssen. Ich wehrte mich, denn da wollte ich nicht hin. Ich dachte damals, dass dieses Thema absolut nichts für mich sei. Und wenn ich wütend bin, sieht man mir es an. So sprach meine Französischlehrerin mit mir und vereinbarte einen Termin bei ihrem Mann. Wie gesagt, bei einigen prägenden Ereignissen hatte ich Glück – und in kürzester Zeit einen neuen Job in der Rechtsabteilung.
Da ich während meiner Lehre in Buchhaltung und Rechnungsverarbeitung versagte, durch meine inexistente Beziehung zu Zahlen, stand ich auf der Kippe, die Lehre zu bestehen. Doch wie schon früher hatte ich auch dieses Mal ein Quäntchen Glück: Vor meiner Abschlussprüfung in Französisch übte ich mit meiner Lehrerin und bestand die mündliche Prüfung erfolgreich.
Doch schon, aber es gab immer einen Grund doch zu bleiben. Ein Highlight war der Moment als ich mich bei SANDOZ beworben habe: Ich wollte nach fünf Jahren in der Juristerei den Betrieb wechseln. Ich hatte schon die Zusage vom Chemiekonzern, nur den Vertrag noch nicht unterzeichnet. Da zitierte mein Chef mich in sein Büro. Als ich eintrat, sassen dort meine Kollegen, die vier Juristen und mein Chef ergriff das Wort: «Ich hörte, Sie haben sich extern beworben wegen zu geringem Lohn?! Die Herren wollen es nicht. Ich erhöhe rückwirkend Ihren Lohn.» Eine nachträgliche Lohnerhöhung gab es damals nicht und war ein Novum. CHF 300 im Monat mehr war für die damalige Zeit sehr viel Geld. Auch dass das Team hinter meinem Rücken zum Chef gegangen ist und geschlossen verlangte, mich zu behalten, empfinde ich als Highlight. Das passiert Dir nur einmal im Leben – mit ein wenig Glück!
So blieb ich der Patria erhalten. Als einer meiner Juristen-Kollegen in den Vertrieb wechselte, nahm er mich mit. Ich wurde im Aussendienst des Vertriebs platziert, war für die Ausbildung im Vertrieb zuständig und bereicherte die Abteilung für die nächsten fünf Jahre. Es war eine spannende Zeit. Wir waren sehr engagiert und ich befand mich am Puls vom Kerngeschäft.
Heute findet man mich in der Fachverantwortung Education Management, HR Operations. Ich bin gespannt, ob es meine letzte Station bei Helvetia sein wird – wer weiss, was bis zu meiner Pensionierung, die in naher Zukunft liegt, doch noch alles passiert…
Ich würde heute vermutlich in keiner Firma mehr solange bleiben und fast mein 50. Jubiläum erleben. Das Miteinander und das Engagement hat sich verändert, egal wo du arbeitest. In der heutigen Gesellschaft geht die Menschlichkeit an manchen Stellen verloren. Ich habe die Menschlichkeit in meinem Team, daher tangiert es mich nicht. Doch das heutige Geschäftsleben ist eher rau und jeder meint, weil er eine bessere Ausbildung hat, ist er mehr Wert. Ich hatte das Glück, in den knapp 50 Jahren Helvetia immer wieder neue, spannende Aufgaben übernehmen und tolle Menschen kennenlernen zu dürfen. Es wurde mir nie langweilig und deswegen bin ich fast bis zu meinem 50. Jubiläum geblieben.