Die Herausforderungen für Tessiner Unternehmen gleichen denen der gesamten Schweizer Wirtschaft. Das ist seit vielen Jahren so, weil sich das Tessin in der gleichen Dynamik entwickelt wie der nationale Durchschnitt. Aktuell sind deshalb die Fragen rund um die Rohstoffversorgung und der Energie zentral – sowohl hinsichtlich der Verfügbarkeit als auch der Kosten.
Das sind alles Elemente, die auch unsere kantonale Wirtschaft belasten. Die Lieferengpässe waren schon vor dem Krieg in der Ukraine ein Problem. Mittlerweile hat sich alles zugespitzt und verteuert, was auf die Margen drückt und den Aufschwung bremst. Mit der gleichzeitigen Explosion der Energiekosten wird das Wirtschaften für viele Unternehmen kritisch und teilweise untragbar. Obwohl die Tessiner Firmen im Durchschnitt eine grosse Investitionskapazität und eine gute Selbstfinanzierung vorweisen, sind die Herausforderungen enorm. Zum Glück gibt es hinsichtlich der Beschäftigung noch keine negativen Effekte, die aber bald erscheinen könnten. Zurzeit kämpfen auch wir im Tessin mit einem akuten Fachkräftemangel, denn auch die traditionelle Rekrutierungszone in Norditalien reicht nicht mehr aus.
Firmen suchen immer nach Alternativen. Bei den Rohstoffen konnten viele Unternehmerinnen und Unternehmer neue Versorgungskanäle finden, obwohl zu teureren Preisen eingekauft werden muss. Wenigstens kommen die Unternehmen so nach wie vor an Material, um zu produzieren. Schwieriger ist es bei Rohstoffen wie Stahl, wo es wenige Alternativen zu Russland und der Ukraine gibt. Hinsichtlich der Energie ist es schwierig, aktuell eine klare Antwort zu geben. Das hängt davon ab, wie sich die Situation in den nächsten Monaten entwickeln wird. Nichtsdestotrotz haben Unternehmen die Möglichkeit, gewisse Vorkehrungen zu treffen: Der Bund empfiehlt auf seiner Website beispielsweise das betriebliche Kontinuitätsmanagement. Dabei werden Prozesse systemisch analysiert und darauf basierend Strategien und Massnahmen abgeleitet, damit die wichtigsten Prozesse auch in einer Energieknappheit funktionieren würden. Weitere Empfehlungen des Bundes zielen auf bauliche Massnahmen oder die Notstromversorgung ab.
Das kann niemand sagen. Die letzten drei Jahre haben eins gezeigt: Leider ist nichts mehr unmöglich. Wir sind derart von den internationalen Ereignissen abhängig, dass es auch unfassbar schwierig ist, die richtigen Entscheide zu treffen. Zentral bleibt für mich, dass der Standort Schweiz weiterhin für Unternehmen attraktiv bleibt, indem gute Rahmenbedingungen geschaffen werden. Das ist ein sicheres Rezept, vor allem in schwierigen Zeiten. Beispielsweise dürfen Sozialpartnerschaften nicht über den Haufen geworfen werden, damit die Kosten für die Bürokratie einigermassen unter Kontrolle bleiben. Nur so können wir im internationalen Wettbewerb bestehen. Ich bin zuversichtlich, dass wir es dank der flexiblen Wirtschaftsstrukturen, der noch nicht zu starren Gesetzgebung und vor allem der starken Innovationskraft unserer Unternehmen schaffen können. Dafür benötigen wir die Unterstützung der Politik. Nur gemeinsam lässt sich die Krise meistern.
Danke für das Gespräch, Herr Albertoni.